Episode 1: Sorour Keramat – „Die Endstation“
Shownotes
Schulcast Episode 1: „Die Endstation“ – Eine Kurzgeschichte von Sorour Keramat
Beschreibung: In der allerersten Episode des Schulcasts präsentieren wir euch eine tief berührende Kurzgeschichte von Sorour Keramat, einer jungen Autorin, die ihre Erfahrungen als Geflüchtete auf beeindruckende Weise in Worte fasst. Sorour kam im Alter von 16 Jahren nach Deutschland und verbrachte ihre ersten Jahre in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften. Dort erlebte sie das Leid und die Heimatlosigkeit anderer Geflüchteter hautnah. Diese Erlebnisse prägen ihre Kurzgeschichte „Die Endstation“, die sie in dieser Episode selbst vorliest.
„Die Endstation“ ist mehr als nur eine Geschichte – es ist ein kraftvolles Zeugnis der Entwurzelung, des Verlustes und der Suche nach einem neuen Zuhause, das viele Geflüchtete durchmachen. Sorour schildert, wie Menschen auf der Flucht oft ihre Identität und Menschlichkeit verlieren, während sie von einem Ort zum nächsten getrieben werden, ohne jemals wirklich anzukommen. Mit eindrucksvoller Sprache und tiefem Einfühlungsvermögen bringt sie die seelischen Wunden zum Ausdruck, die in Diskussionen über Migration oft unbeachtet bleiben.
Diese Episode ist ein Muss für alle, die sich für Literatur, Migration und die menschlichen Schicksale hinter den Nachrichten interessieren. Sorours literarischer Ausdruck wird zu einer kraftvollen Stimme, die die ungerechten Bedingungen beleuchtet, denen viele Geflüchtete in Europa ausgesetzt sind.
Teaser: „Lasst euch von Sorours eindrucksvoller Erzählweise inspirieren und taucht ein in die bewegende Geschichte von ‚Die Endstation‘, die das Schicksal vieler Geflüchteter eindrucksvoll darstellt. Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und tief unter die Haut geht.“
Weitere Veröffentlichungsinformationen:
- Autorin und Sprecherin: Sorour Keramat
- Produktion: Schulcast-Team
- Kategorie: Literatur, Migration, Gesellschaft
- Dauer: 9 Minuten
- Erstveröffentlichung: 2020 im Hamburg an der Beruflichen Schule St. Pauli (BS 11)
- Veröffentlichungsdatum auf Schulcast: 12.08.2024
- Tags: #Literatur #Flucht #Migration #Gesellschaft #Schulcast
Lasst euch von Sorours eindrucksvoller Erzählweise inspirieren und taucht ein in die bewegende Geschichte von „Die Endstation“, die das Schicksal vieler Geflüchteter eindrucksvoll darstellt.
Transkript anzeigen
00:00:00: Die Endstation. Die Frau stieg an der Endhalterstelle vom Bus aus und versuchte zwei Tüten in
00:00:10: ihrer Tasche zu verstecken. Sie ging langsam durch den leichten Nebel auf die andere Seite
00:00:15: der Straße. Mit jedem Schritt schlug er Herz schneller. Mit jedem Schritt näherte sie
00:00:21: sich den riesigen Containern an. Sie wartete am Eingang, über dem ein Schild stand. Deutsches
00:00:28: rotes Kreuz. Ein Mann mit einer grünen Uniform steckte den Kopf durch das Fenster des kleinen
00:00:34: Häuschens neben dem Eingang hinaus und rief "Karte bitte!" Sie zeigte eine weiße Karte mit dem
00:00:43: Bild einer kopfbedeckten Frau und ein paar Zahlen und Buchstaben darunter. Die Karte
00:00:49: schaute sich verdrossen an, dann die Frau. Er gab die Karte zurück. Sie beschleunigte das
00:00:56: Tempo ihrer Schritte und ging die Treppen des ersten Containers aus der Reihe hinauf. Sie
00:01:01: öffnete eine Tür aus weißem Kunststoff und sah, dass ihre Zimmergenossen Vahila vor dem Fenster stand.
00:01:08: "Ich habe dir zehnmal gesagt, du sollst hier nicht rauchen. Ich habe keine Lust auf den Alarm und
00:01:15: ärger mir den Securities. Vahila drehte den Kopf um. Oh, ich habe gar nicht gemerkt, dass du hier
00:01:23: zurück bist. Ich bin erst jetzt angekommen. Guck mal, was ich gekauft habe. Reis, Eier, Tomaten und
00:01:32: Spaghetti. Wir kochen heute was Leckeres." Sie legte die Tüten aus der Tasche auf den Tisch,
00:01:38: neben einen zerrissenen Briefumschlag und machte die Tür wieder auf. "Ich gehe kurz zu Sabrin. Ich
00:01:45: muss ihre Einkäufe abgeben." "Das brauchst du nicht mehr." "Was? Sie haben heute die Zimmer
00:01:51: durchsucht und alle Herdplatten wieder eingesammelt." "Ach nein. Sabrin's Kind kann das Essen von der
00:01:59: Kantine nicht vertragen." "Keiner kann es vertragen. Selbst ich kann hier nichts mehr vertragen."
00:02:06: Sommer machte die Tür zu und zog ihr Kopf durch aus. Vor dem Spiegel kämpte sie sich die schwarzen,
00:02:13: lockigen Haare. "Und wegen des Essens hast du dich heute so geschminkt? Sag mal,
00:02:18: wolltest du meinen Roten Liebhundstiffer am Abend essen?" Waheda lachte, "Ein Schullege,
00:02:24: ich konnte meinen eigenen nicht finden." Sommer lächelte ihre eigene Reflexion am
00:02:31: Spiegel an und war noch beschäftigt mit den Haaren. "Kein Problem. Hast du heute Briefe von
00:02:38: der Post abgeholt?" Waheda stand immer noch am Fenster und pustete den Rauch ihrer Zigarette
00:02:44: nach draußen. "Du hattest heute keine." Sommer atmete tief. "Okay, dann warte ich noch."
00:02:54: Dieses sinnlose Warten kann ich nicht mehr ertragen. Ich war heute Nacht der Post im Büro. Da
00:03:02: habe ich mich über die Durchsuchungen in unserer Zimmer beschwert und wie immer hatten sie Tausende
00:03:07: Gründe dafür. "Seien die so dramatisch, das ist halt nur einmal in der Woche." Waheda warf dann
00:03:15: rest der Zigarette durch das Fenster hinaus. "Sag mir bitte nicht dasselbe, was sie mir sagen.
00:03:20: Diese Sozialarbeiter leben selbst ja nicht zu viert in Räumen mit zwölfmütter Fläche und
00:03:25: Plastiktüren. Es gibt doch in Deutschland ein Recht auf Privatsphäre oder nicht." Sommer legte
00:03:31: den Kamm auf den Tisch und setzte sich auf ihr Bett. "Denk nicht daran. Das Warten in einer
00:03:38: deutschen Flüchtlingsunterkunft ist besser als in Zellen vor den serbischen Grenzen. Mach
00:03:43: das Licht bitte aus und versuch zu schlafen. Morgen hast du es vergessen. Schmeiß dir
00:03:47: den Briefumschlag auch weg." Waheda schaute immer noch durch das Fenster nach draußen,
00:03:53: ohne sich zu bewegen. "So ruhig renn, renn schnell, jaa, tuuuh." "Wie kannst du bei diesem Lärm
00:04:05: schlafen?" Die Kinder haben schon die siebte Runde angefangen. Bis jetzt war der Bruder von
00:04:10: diesem süßen Typen der beste Fußballer im ganzen Lager.
00:04:14: Sommer lag auf dem Bett und war auf Stehrenrundzellen einen Blick auf Wahida, der Bruder von welchem
00:04:20: Typen.
00:04:21: Wahida lächelt und schaut auf das Fenster des gegenüberstehenden Containers, an dem stand,
00:04:26: ich hasse alle.
00:04:27: Ich meinte diesen Afghane, der gegenüber wohnt.
00:04:31: Sag nicht, dass du diesen merkwürdigen Jungen süß findest.
00:04:35: Ihr Ton wurde ironisch.
00:04:37: Er hasst alle.
00:04:39: Vielleicht hasst er dich auch?
00:04:41: Und mach bitte das Fenster zu, es ist laut.
00:04:44: Wahida machte das Fenster zu und lachte.
00:04:48: Ich wollte ihn heute tatsächlich ansprechen, nachdem ich durch sein Fenster gesehen habe,
00:04:52: wer sich umgezogen hat.
00:04:53: Sie lachte auch, ach deshalb hast du dich geschminkt, oder?
00:04:58: Nein, Quatsch.
00:05:01: Wahida setzte sich auf einen Plastikstuhl vor dem Fenster.
00:05:05: Er ist viel jünger als ich, er ist genauso alt wie mein Bruder.
00:05:10: Ich habe voll Kopfschmerzen.
00:05:11: Summer lachte nicht mehr.
00:05:14: Dein Bruder?
00:05:16: Ich meinte, wenn mein Bruder nicht tot wäre, hätten die beiden dasselbe Alte aber.
00:05:24: Er wurde damals zwei Jahre nach dem Einmarsch der Terroristen im Irak umgebracht.
00:05:28: Summer betrachtete die weiße Wand neben ihrem Bett.
00:05:34: Es tut mir sehr leid.
00:05:39: Es schien wieder ein Lächeln auf Wahidas Gesicht, während sie auf das Spilde Kinder starte.
00:05:45: Nein, ich brauche kein Mitleid.
00:05:49: Ich habe es nur erzählt, weil mein Bruder heute die ganze Zeit in meinem Kopf ist.
00:05:54: Ich espüre ihn in meiner Nähe, als ob er hier wäre.
00:05:57: Ich suche ihn die ganze Zeit zwischen den Kindern da unten.
00:06:01: Ich dachte, vielleicht ist er da, aber ich glaube, jetzt ist er sogar näher gekommen.
00:06:06: Wahrscheinlich ist er in unserem Zimmer.
00:06:08: Es dauerte ein paar Sekunden, bis Summer antwortete.
00:06:14: Du bist müde.
00:06:16: Soll ich selber das Licht ausmachen?
00:06:18: Summer, ich werde ihn wieder treffen.
00:06:21: Ich wusste, dass dieses Treffen bald ist.
00:06:23: Ich hätte doch nicht so viel Zeit verschwenden sollen.
00:06:26: 13 Jahre Flucht durch Irak, Syrien, Europa und durch mein inneres war ein Kampf, in dem
00:06:35: ich sowieso der Verlierer bin.
00:06:36: Summer, ich bin bereit, dem lieben Gott mein Leben zu geben.
00:06:40: Hier ist das Ende.
00:06:42: Summer stand auf, um das Licht auszumachen.
00:06:45: Baheda, du bist jung.
00:06:48: Ich weiß, dass du traurig bist.
00:06:50: Wir sind es alle.
00:06:51: Aber wenn wir aufgeben, Baheda unterbrach sie.
00:06:54: Ich habe heute einen Berief bekommen.
00:06:55: Die beiden atmetten eine Weile.
00:07:00: Summer fühlte den kalten Schweiß und Baheda startete immer noch auf die Kinder draußen.
00:07:07: In diesem Brief steht, ich werde nächste Woche Montag von Deutschland abgeschoben.
00:07:12: Summer ging vor dem Tisch, um Bahedas Medikamente zu finden.
00:07:17: Sie versuchte die Trennen zu verstecken.
00:07:19: Mach dir keine Sorgen.
00:07:22: Ich kenne einen Deutschen.
00:07:25: Er kann für dich einen guten Anwalt finden.
00:07:27: Und danach, Baheda unterbrach sie lachen.
00:07:29: Ich will das nicht.
00:07:33: Ich kämpfe nicht mehr.
00:07:36: Ich kämpfe nicht mehr um das Leben im Tod.
00:07:40: Ich möchte meinen Bruder wiedersehen.
00:07:44: Baheda, was hast du gemacht?
00:07:48: Wo sind deine Tabletten?
00:07:51: Sie fiel zu Boden.
00:07:53: Summer lief zu ihr.
00:07:54: Die Trennen machten das kalte Gesicht der liegenden Frauen naß.
00:07:58: * Musik *
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00:08:27: Untertitel von SWISS TXT
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